Aufgeklebt, verstaubt, unbequem, unpraktisch: Die Texturen der gebauten Umwelt spielen in kapitalismus- und konsumkritischen Analysen oft eine zentrale Rolle. Auf die Schreibpraxis der Autorin Lu Märten (1879–1970) trifft dies besonders zu: Während der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts schrieb sie sich den Texturen des „Arbeiterheimes“ entlang – die Rede ist etwa von ornamentalem Stuck, dekorierten Haushaltsgeräten und dunklen Mietskasernen. Ihre kritische Praxis in Räumen der Arbeiterklasse anzusetzen, war Märtens Vorstellung einer „sozialen Ästhetik“ geschuldet: Entschieden schrieb die Autorin gegen bürgerliche Vorstellungen des Ästhetischen an, die in ihren Augen zu stark von klassistischen Besitzverhältnissen bestimmt und geprägt waren. Stattdessen standen für Märten die emanzipativen Möglichkeiten des Ästhetischen im Vordergrund. Aus ihrer Perspektive war das ästhetisch Wertvolle dort angesiedelt, wo sich Handlungsräume auftaten.

Das architekturgeschichtliche Dissertationsprojekt nimmt Märtens „soziale Ästhetik“ zum Ausgangspunkt, um die Rolle von architektonischen Texturen im Kontext weiterer sozialistisch motivierter Positionen ihrer Zeit zu hinterfragen.
Ausgehend von Märtens markanter Bezugnahme auf Texturen der häuslichen Sphäre möchte ich den Zusammenhang zwischen dem kritischen Entwerfen alternativer, emanzipativer Ästhetiken und deren rhetorisch-poetischer Indienstnahme von Texturen aus der gebauten Umwelt untersuchen. Das Projekt dreht sich folglich um materiell räumliche Bezugspunkte und die Frage, wie diese in kritischen ästhetischen Theorien und Praktiken reflektiert und verarbeitet wurden.