The Favela as Figure

Colonialist Afterlives and Urbanism's Technocratic Aesthetics in 1920s Rio de Janeiro

Vortrag von Prof. Dr. Adrian Anagnost [Tulane University School of Liberal Arts New Orleans], #2 der Ringvorlesung Organizing Architectures: Coloniality

Wie setzten sich die visuellen und räumlichen Logiken des kolonialen Brasiliens im modernen technokratischen Urbanismus fort? Ausgehend von den städtebaulichen Reformen und Architekturdebatten im Rio de Janeiro des frühen 20. Jahrhunderts argumentiert der Vortrag, dass die Favela als eine Figur entstand, durch die Eliten koloniale Hierarchien von Ordnung und Unordnung in eine modernistische Form übersetzten. Von der Zerstörung des Morro do Castelo für die Weltausstellung 1922 bis zu den experimentellen Architekturentwürfen von Flávio de Carvalho und den kritischen Schriften von Mário de Andrade um 1930 wurde die Stadt zu einem Labor für die Versöhnung der industriellen Moderne mit nostalgischen Visionen kolonialer Stabilität. Anstatt mit dem Kolonialismus zu brechen, kodierte der technokratische Urbanismus Brasiliens die räumlichen Logiken der „casa-grande“ und der Plantage – hierarchisch, paternalistisch und rassistisch – in die visuelle Grammatik der Modernisierung um. Die Favela wurde so sowohl zum Symptom als auch zum ästhetischen Kern des modernen brasilianischen Urbanismus: Ein Ort, an dem soziale Ungleichheit als Gestaltungsproblem neu gedacht wurde.

Der Vortrag findet auf Englisch statt.

Mitglieder der Architektenkammer Hessen (AKH) können bei Teilnahme 2 Fortbildungspunkte erwerben.

10. Dezember 2025
19 – 20.30 Uhr
im Deutschen Architekturmuseum (DAM)
Schaumainkai 43, 60596 Frankfurt